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Eigentlich eine paradoxe Formulierung – dennoch kennen viele Menschen diese Erfahrung: Im Privatleben z.B., wenn sie einem Partner, den sie eigentlich sehr schätzen, Dinge an den Kopf werfen, über die sie später nur selbst den Kopf schütteln können. Andere ziehen sich zurück, auch wenn klar ist, dass eigentlich nur ein paar Worte gesprochen werden sollten oder eine kleine Geste die Situation entspannen würde – aber irgendwie steht dem etwas im Weg.

Ähnlich funktioniert es beruflich:

– Wenn sich z.B. jemand sehr klar vornimmt, zu diesem wichtigen Bewerbungsgespräch gut vorbereitet entspannt und pünktlich anzukommen – und „es“ auf einmal passiert, dass man sich vertrödelt, in letzter Minute losfährt und natürlich in einen Stau kommt…

– Wenn man immer wieder in einen hitzigen Austausch mit einer bestimmten Führungskraft kommt, obwohl der Verstand genau weiß, dass dies überhaupt nichts bringt und ein Kollege nur darauf wartet, den eigenen Platz einzunehmen…

– Wenn es einem in einem wichtigen Meeting plötzlich die Sprache verschlägt, obwohl man vor einer Minute noch genau wusste was man sagen wollte. Das Gefühl macht sich breit, dass man seine Kompetenzen überhaupt nicht mehr zeigen kann, im schlimmsten Fall kommen Gedanken, sowieso nichts zu können oder für den Job nicht geeignet zu sein.

Wahrscheinlich kann jeder weitere Beispiele anführen, wie man schon selbst verhindert hat, zum eigenen Erfolg oder einer guten Beziehungsgestaltung beizutragen, obwohl es eigentlich möglich gewesen wäre.

Was passiert da eigentlich?

Wie kann man sich schon selbst im Weg stehen – schließlich müsste man sich dafür vervielfältigen. Und in gewisser Weise ist es so. Psychologisch gesehen sind wir nicht eine feste homogene Persönlichkeit, sondern ein komplexes System, in dem Erleben von Sekunde zu Sekunde immer wieder neu erzeugt wird durch die Art, wie wir unsere Aufmerksamkeit ausrichten. Wir können also eher von einem inneren Team in uns sprechen mit sehr unterschiedlichen sogenannten ego-states, die sich in ständigem Austausch und Bewegung befinden und sich auch nicht immer einig sind. Je nachdem, welches Teammitglied (z.B. ein mutiges, ängstliches, selbstbewusstes oder selbstabwertendes Teammitglied) gerade im Rampenlicht der inneren Bühne steht, wird ein anderes Erleben erzeugt.

Also kann sich vor einer wichtigen Präsentationssituation ein altes Erinnerungsbild in unsere Aufmerksamkeit schieben, das uns z.B. zeigt, wie wir in der Schule wegen eines Versprechers ausgelacht wurden – und schon „übernimmt“ ein 8-jähriges Mitglied des inneren Teams, das dieser Präsentation tatsächlich nicht gewachsen ist und schon verhaspeln wir uns oder die Stimme wird brüchiger, obwohl wir gut vorbereitet sind. Oder es schiebt sich ein innerer Kritiker vor, der nur mit mindestens 120 % zufrieden ist und flüstert uns ein, dass wir dem gar nicht gewachsen sind.

Da unser Gehirn ein sogenanntes sich selbst organisierendes System ist, geschieht dies in der Regel nur zu 10% bewusst. Jede/r, der schon einmal nachts wach lag und sich fest vorgenommen hat, jetzt aber direkt einzuschlafen, weiß, dass unser Gehirn seine eigene Dynamik hat.
Vieles geschieht unwillkürlich. In Leistungssituationen kann es sein, dass unsere Gedanken und inneren Bilder auf die Angst vor Versagen ausgerichtet sind – und da unser Gehirn nicht NICHT denken kann, beschäftigt es sich mit Versagen, was dies tatsächlich wahrscheinlicher macht, obwohl wir uns bewusst und willentlich natürlich den Erfolg wünschen.

Wie macht man sich den Weg wieder frei?

Die inneren Anteile oder ego-states, in die man „hineinrutschen“ kann, sind im Prinzip neuronale Verbindungen, die sich irgendwann aufgebaut haben. Man nennt es auch Bahnung oder alte Muster. Im Prinzip sind alle ego-states oder inneren Teammitglieder Ressourcen, die wir haben, es kommt nur darauf an, ob sie der Situation angemessen an die Oberfläche unseres Bewusstseins kommen.

Um dies stärker bewusst beeinflussen zu lernen, ist die Voraussetzung, die ego-states oder Teammitglieder zunächst zu erkennen. Insofern habe ich sehr gute Erfahrungen damit gemacht, dieses innere Team überhaupt erst einmal kennen zu lernen. Ich lasse den Teammitgliedern gerne Rufnamen geben und einen Satz, mit dem sie sich üblicherweise melden, damit man sie in Zukunft schnell erkennen kann.

Ein authetisches Beispiel aus einer Coaching-Sitzung finden Sie hier.

Die innere Bühne

Hier wird auch deutlich, dass es klare Parallelen gibt zum äußeren Leben: Einige Teammitglieder kennen sich gut und arbeiten konstruktiv zusammen, in diesem Fall z.B. die Analytikerin und die Lösungsorientierte. Andere sind weniger beliebt, fühlen sich aber angesprochen, wenn es z.B. stressig wird oder sogenannte „Rote Knöpfe“ gedrückt werden, wie z.B. die Wut oder die Hilflose, die oft mit früheren Verletzungen verbunden sind und zu Kampf- oder Fluchtreaktionen führen.

Wie man damit rücksichtsvoll, wertschätzend und konstruktiv weiterarbeiten kann, erläutere ich im nächsten Teil.